Hallo Oliver,
sowas passiert schonmal. Und was das Recovery angeht, nicht verzagen, mich fragen…
Hallo Achmed,
Du hast da viele gute Punkte angeführt, auch wenn ich manche anders werte als Du in ihrer Bedeutung, und den ein oder anderen Punkt noch gerne ergänzen möchte.
Für mich ist es keine Frage, dass OSE (USA) sich in einer Krise befindet und neue Wege beschreiten muss. Aber welche Wege?
Über die zukünftige Ausrichtung von OSE laufen in den US-Foren schon seit längerer Zeit Grundsatzdiskussionen. Da gibt es die Diskussion über das GVCS als „toys für boys“, wo gefordert wird, OSE sollte sich auf die Entwicklung von Konsumgütern wie Waschmaschinen konzentrieren, statt Investitionsgüter wie Traktoren und Werkzeugmaschinen. Ich persönlich halte eine solche Richtungsänderung für extrem bedenklich, weil erstens offenbar die „toys für boys“ Fraktion einen erheblichen Beitrag für die Entwicklung von Hardware leistet aufgrund vorhandener Sachkenntnis. Zweitens ist es für mich ein essenieller Punkt der OSE-'Vision, dass Open Source Hardware die wirtschaftliche Basis für OSE-Gemeinschaften oder auch einzelne OSE-Fabrikatoren sein soll. Aber dieses wird nur funktionieren, wenn open source Produktionsmittel verfügbar sind, andernfalls sind diese Akteure in einer globalisierten Wirtschaft mit sehr grossen Produktionseinheiten hoffnungslos unterlegen. Deshalb ist eine Ausrichtung auf Konsumgüter tödlich für die OSE-Visionen und für mich klar abzulehnen.
Auch die alte Diskussion „low tech“ gegen „high tech“ ist immer noch allgegenwärtig. Open Source Fahrrad statt Open Source Auto ! Feldschmiede statt CNC Präzisions-Multimachine !
Vielleicht ist die lowtech Bewegung OSRL (open source resilient living) für viele derzeitige OSE-Begeisterte eigentlich die geeignetere Bewegung. Immerhin gehört es zu den OSE-Kernaussagen, einen heutigen Bedingungen entsprechenden Lebensstandard mit modernem Komfort realisieren zu wollen. Vielleicht sieht aber wirklich ein GVCS50 für Malawi anders aus als für die USA
Ich kann es mir jetzt nicht verkneifen, einige Punkte von Dir, Achmed, herauszugreifen und zu kommentieren:
proprietäre Software:
ist ein Problem, aber ein kleines. Und da Du Dich in Deinen Beispielen auf CAD-Software beziehst, tue ich es jetzt auch. Zu Beginn der OSE-Bewegung gab es keine open source CAD-Software, und heute gibts noch immer keine brauchbare wettbewerbsfähige. Und proprietäre Software hat sich bislang noch nicht als Problem herausgestellt, weil die Community, die bei OSE techn. Zeichnungen und CAD-Modelle austauscht, WINZIG KLEIN ist; oder habe ich da ganz viel verpasst. Die Realität ist doch, dass sich die meisten Personen bei OSE mit Grundsatzdiskussionen, Webdesign oder dubiosen Kostenvergleichen open source zu proprietär beschäftigen. Und leider nur ganz wenige Personen in qulitativ akzeptabler Qualität mit technischen Entwicklungen. Und nach meinen Beobachtungen bisher kommt diese Handvoll Personen mit derVielzahl proprietärer Software ganz gut klar, weil sie das gewöhnt sind.
imperiales Massystem:
Klar ist das eine Schwierigkeit, eine völlig unnötige Komplizierung technischer Entwicklungen. Dieses archaische Massystem ist ein „pain in the ass“ für Entwickler. Es ist aber nicht wirklich eine Entschuldigung, denn immerhin sind im imperialen System Dinge wie die Geräte für die Mondlandung oder die wohl leistungsfähigsten Waffensysteme der Erde entwickelt worden.
keine internationalen (ISO-) Standards:
Zutreffend. Folgt natürlich zum Teil bereits aus dem vorherigen Punkt. Ich frage mich zusätzlich, hätten wir in metrisch entwickelt, hätte die Mehrzahl der beteiligten Entwickler sich dann an ISO-Standards gehalten? Immerhin haben viele dieser OSE-Entwickler immer wieder gegen weltweit gültige Regeln des Maschinenbaus verstossen, die nicht nur in der ISO-Welt gelten.
keine internenStandards von Grundkenntnissen:
klare Zustimmung von mir. Trifft leider schon für die alleroberste Ebene von OSE zu, wo technische Entscheidungen, auch zu Details, getroffen werden, die fehlerhaft sind und den Eindruck erwecken, das die nötige Qualifikation für diese Entscheidungen gar nicht vorhanden ist.
Und setzt sich folgerichtig fort bis in untere Ebenen, wo wichtigste Grundkenntnisse einfach fehlen.
schlechte Dokumentation:
Zutreffend. Hängt sicher direkt mit dem letzten Punkt zusammen. ZB habe ich noch keine einzige Zeichnung von OSE gesehen, die wirklich den Standards entsprochen hat, die ich mal lernen musste.
Und der Versuch, Dokumentationen zu erstellen, die auch Personen ohne technische Vorkenntnisse verstehen, hat letztlich dazu geführt, dass es nichtmal für technische Experten brauchbare vollständige fehlerfreie Dokumentation gibt.
Frage: Ist es realistisch, dass Menschen ohne erhebliche Vorkenntnisse, sei es durch Ausbildung oder Studium oder selbsterworben, Maschinen bauen? Vielleicht sogar Menschen, die weder lesen noch schreiben können?
Entwicklung nicht dezentral ausgelegt:
Verzögert sicherlich den Entwicklungsprozess. Andererseits weiss ich selber nicht, wie realistisch eine dezentrale Entwicklung von Hardware ist, vor allem bei grossen Entfernungen zwischen den einzelnen Entwickungszentren. Hardware-Komponenten lassen sich eben nicht als Email-Anhang versenden; und bei grossen Teilen klappts auch nicht mit UPS.
Wir alle haben damit eben keine Erfahrungen.
Werkstattanforderung von Nöten:
Ja, stimmt. Und ist auch okay. tut mit leid Achmed, wir brauchen sogar viel besser ausgestattete Werkstätten für die Produktion. Schluss mit der Verarsche, Menschen vorzureden, ihr könnt in Eurer Garage alle Maschinen bauen; ohne Unmengen an Werkzeugen und Maschinen vorher zu kaufen!
Besichtige bitte mal Maschinenfabriken, und danach denkt bitte mal zuhause darüber nach, warum da wohl so viele, so verschiedene und teilweise so grosse Maschinen rumstehen!
Die Qualitätsprobleme von OSE rühren teils vom Design her, und zum Teil aus Fertigungsfehlern. Und Fertigungsfehler passieren durch nicht qualifiziertes Personal UND mangelhafte Ausstattung der Werkstatt.
Und jetzt ein weiterer Punkt von mir, den Du aber auch indirekt ansprichst.
Orgnisation. OSE ist in manchen Punkten überorganisiert. Wären wir eine Firma, würde man von einem Wasserkopf sprechen. Zuviele Manager, IT-Leute, Webdesigner - und viel zuwenige Schlosser, Elektriker, Techniker und Ingenieure.
Die guten und attraktiven OSE-Visionen ziehen weniger technisch interessierte Personen an als Personen mit anderen Qualifikationen und Interessen. Nichts gegen diese Leute, nur mit denen alleine funktioniert Hardware-Entwicklung nicht. Und wenn dann die Nicht-Techniker sich massiv einmischen bei technischen Entscheidungen wie in den USA unter M. üblich, dann ist Scheitern vorprogrammiert.
Zum Managen gehört auch, dass man wissen muss, wo das eigene Wissen am Ende ist und man Fachleuten folgen sollte; Manager die diesen Punkt nicht erkennen, sind absolute Versager.
Mike