Technik in anderen Gemeinschaften

Eines der interessantesten Projekte ist für mich Tamera. Dort entstand über die letzten Jahre ein Konzept (unterstützt durch Prototypen und ein Testfeld) für ein Solardorf .
http://www.tamera.org/index.php?id=225&L=1
Zielgruppe ist zwar eher der globale Süden („Entwicklungs“-Länder) , aber einiges ließe sich auch für unsere Region adaptieren.
Hermann

Ein weiteres schönes Beispiel ist:

http://www.motherearthnews.com/Nature-Community/1976-11-01/The-Integral-Urban-House.aspx

Entstanden schon Mitte der 70er Jahre - aber die Ideen und Prinzipien sind auch heute noch aktuell.

Hallo Hermann,

auch ich beobachte Tamera schon seit ein paar Jahren und finde es von aussen betrachtet auch ganz sympathisch.
Allerdings gibts da ein paar Details die ich kritisch hinterfrage.

Zum einen gefällt mir nicht der starke Überbau an Seminaren und Workshops zum Thema Besser Leben, Selbsterfahrung, Kommunikation usw., aus denen die sich zu großen Teilen finanzieren. Einfach, weil das Dinge sind, die jeder für sich selbst entwickeln muss und wo es m.E. keine Patentrezepte gibt.

Zum anderen gefällt mir nicht der Personenkult um die Gründer Duhm und Lichtenfels. Das erscheint mir alles ein bischen Guru-haftig und erinnert mich auch etwas an die Sanyasin-Bewegung. Die haben auch ne ganze Menge damals in Oregon und Poona und anderswo (ich war mal in meiner Jugend in Köln, im Zorba-the-Buddha = Bagwhan-Disco, nett, aber auch ein bischen schräg :wink:) auf die Beine gestellt, aber irgendwie kams mir auch ein bischen ausbeuterisch vor. Und Personenkult lehne ich strikt ab.

Zum dritten gefällt mir nicht, dass die die Leute, die für sie arbeiten, zumindest zum Teil, auch noch dafür bezahlen lassen. Klar, es mag mehr oder weniger freiwillig sein, schliesslich ist derjenige ja auch davon überzeugt, damit eine gute Sache zu unterstützen. Aber das tut er ja schon durch seine Arbeit und man sollte das als Minimum mit freier Kost und Logis honorieren, das ist m.E. Ehrensache. Und für darüberhinausgehende Spendenwilligkeit gibts sicher ne Spendenkonto-Nr., also kein Grund, sich den Aufenthalt von Volunteers auch noch bezahlen zu lassen.

Jetzt zu den guten Sachen: Was für mich an Tamera wirklich interessant und äusserst vorbildhaft erscheint, das ist das von Dir angesprochene Solardorf. Man darf sich da aber nix vormachen, dessen Realisierung ist zumindest in inhaltlicher bzw. technischer Hinsicht primär auf den Mastermind Jürgen Kleinwächter zurückzuführen und dessen (und seines Vaters) jahrzehntelanger Vorarbeit (u.a. mit der Fa. Bomin Research). Was ich an dem absolut und megamässig bewundere ist die Umsetzung eines solar betriebenen Niedrigtemperatur-Stirlingmotors (arbeitet im bereich von 150 bis 200 °C !!!), der auch gleichzeitig so skaliert ist, das er in nennenswertem Umfang (1.5KW und theoretisch noch mehr) nutzbare Energie zu erzeugen vermag. Es ist die einzige mir bekannte Stirling-Version die das vermag, alle anderen kommerziellen Stirlingmotoren (und selbst Viehbach) arbeiten im Bereich zwischen 300 und 800 °C und sind somit für solar nicht zu gebrauchen. Wobei ich zwar vermute, das das weniger am technisch machbaren liegt sondern eher darin das sonstige entsprechende Umsetzungen bislang von irgendwelchen „dunklen Mächten“ erfolgreich unterdrückt wurden. Aber, mag sein das Kleinwächter in Tamera eine Nische gefunden hat, die sich der Kontrolle soweit entzog dass er es umsetzen konnte und damit die m.E. historische Leistung erbracht hat, dass er der Welt bewiesen und vor Augen geführt hat, dass es möglich ist.

Die einzige Technologie von der ich weiss, das damit Ähnliches möglich sein könnte, das wäre ORC (= Organic Rankine Cycle) und da gibt es meines Wissens nach nix, was so dimensioniert und skaliert ist (also etwa 1.5KW Leistung), das es für den Privatmann erschwinglich wäre, das ist nur was für Industrie-Budgets. Und ist auch ein völlig anderes Thema was mit diesem nix zu tun hat.

Also, kurz und gut, was mich an Tamera besonders interessiert ist Kleinwächters Wirken dort und der Rest ist auch nicht völlig uninteressant (besonders bezogen auf das Solardorf) aber auch mit ein paar suspekten Aspekten und ich werds weiter beobachten und gespannt sein, wie sich das noch entwickelt.


Was motherearthnews als solches betrifft: Zwiespältig. Eigentlich ganz nett, aber überwiegend bringen die Sachen die kalter Kaffee sind, z.B. wie man nen tollen Komposthaufen anlegt usw. Mein überwiegender Eindruck ist, das es sich hierbei um ein Magazin handelt, welches ein typisches Bedürfniss unserer Zeit auf einem kommerziellen Level bedient. Was ich ihnen als positiv anrechne ist, dass ihre Projekte for free einsehbar und per Internet verfügbar sind … ich habe ja selbst unlängst im Solartrockner-Thread auf eines davon verlinkt. Aber symptomatisch ist, dass ich, nachdem ich ihren Newsletter zunächst abonniert hatte , diesen aufgrund der Un-Aktualität ihrer Themen schon vor längerer Zeit in meinen Spam-Folder umgelenkt habe grins

OK, soweit meine 5 cents, und das ist natürlich alles eine sehr subjektive Betrachtung der Dinge :wink:

Gruss, Oliver

Hallo Oliver,
Was Deine Gesamtbetrachtung von Tamera angeht, bin ich vollkommen mit Dir d´accord, ich könnte sogar noch weitere Kritikpunkte vorbringen. Das Solarvillage ist aber m.E. interessant genug um es weiter zu verfolgen und gegebenfalls auch als Kooperationspartner in Betracht zu ziehen.
motherearthnews an sich kenne ich nicht, mir ging´s bei dem Link um das „Integral Urban House“, dort wurde schon in den 70er Jahren gezeigt wie durch systemisches Denken auch mit einfacher Technik Lebenskreisläufe in Gang gesetzt werden können. Beim Verlag „2001“ gab´s dazu mal ein wunderschönes dickes Buch mit unzähligen Details und Zahlenmaterial. Im Netz fand ich auf die Schnelle keinen besseren Link. Das Buch aber habe ich noch.
Mit diesem Thread wollte ich einfach darauf hinweisen, dass es lohend ist sich mal bei anderen umzuschauen die mit ähnlichen Visionen unterwegs sind - und da gibt es ja noch ne ganze Menge. Auch das Projekt ZERI von Gunter Pauli ist für mich eine wichtige Inspirationsquelle, obwohl ich seine manchmal schon penetrante Marktbezogenheit nicht mag.
http://www.zeri.org/ZERI/Home.html
Oder das Buch der Synergie von Achmed Khammas: über 4000 Seiten Infos zum Thema Energie
http://www.buch-der-synergie.de/
Eine wetere Quelle: obwohl nur Beschreibungen von anderen Büchern und Bezugsquellen: „The Whole Earth Catalog“
http://www.wholeearth.com/index.php
und die Heft/Buchreihe „Einfälle statt Abfälle“ http://www.einfaelle-statt-abfaelle.de/
und …
so long
Hermann

Hallo Hermann,

das mit dem Solarvillage seh ich genauso.

Und den Zeri-Link hatte ich schon vor ein paar Tagen von Deiner Homepage aus mal angeschaut, enthält auf jedenfall ne Menge Anregungen und Inspirationen.

Und was Das Buch der Synergien von Achmed Kammas und Einfälle statt Abfälle von Christian Kuhtz angeht, das ist für mich schon fast ne Art Holy Bible grins, von letzterem besitze ich einen Grossteil der Ausgaben, nicht alle, aber alle, die für mich relevant sind.

Vielleicht sollte man das mal zum Anlass nehmen und im Wiki, sofern nicht eh schon dort vorhanden (?) eine Seite mit Links und eine mit Literaturempfehlungen anlegen. Dort können wir dann sowas sammeln, ein bischen thematisch geordnet und vielleicht sogar noch mit ein, zwei erläuternden Sätzen.

Gruss, Oliver

Hmm, was mir hierzu einfällt ist - und womit ich gern noch eine andere Idee aufgreifen würde, die hier im Forum (von wem?) schonmal aufgegriffen wurde:
Dass wir im Rahmen eines Projektes zur Grundlagen- und Verhaltensforschung ggf. ein Wiki-Bereich oder sogar eine eigene Domain+Wiki etc. einrichten, dass alle Informationen frei verfügbar sammelt. Vor allem zu einfach umsetzbaren Dingen wie: Welche Pflanzen + Kräuter sind sinnvoll anzubauen, wie baue ich einen einfachen energiesparenden Ofen, was kann ich aus Abfällen sinnvolles machen / wie kann ich Abfall sinnvoll weiterverarbeiten, - also sozusagen ein umfassendes Wiki zu nachhaltigem Leben. Auch z.B. welche Pflanzen kann man anbauen die schnell wachsen und hohen Nährwert haben, welche Tiere kann man züchten die hohen Nährwert haben, bei geringstem Ressourcenverbrauch - mit welchen Techniken bereitet man diese dann zu etc. pp. - wie kann man ohne große Technik Wasser reinigen, etc.
Wie kann ich aus Autoreifen, PET-Flaschen und Lehm Wände konstruieren mit integriertem Wärmepufferspeichert etc. pp. (siehe Earthship) - und das alles nur dann dokumentieren, wenn man es ausreichend getestet hat. Also nachgewiesen funktioniertende Dokumentationen.

Darauf aufbauend - nachdem wir diese ganzen wichtigen Grundlagen erarbeitet haben, können wir Maschinen entwickeln, die die Tätigkeiten, die ein solches Leben erfordert maximal effizient unterstützen oder effizienter gestalten. Oder daraus herausarbeiten, was man bäuchte um diese Konzepte zu optimieren.

Irgendwie kommt das dem Namen „Open Source Ecology“ näher und wäre ggf. sinnvoller als sich einen haufen Projekte auszudenken, die vielleicht sinnvoll sind. Vl. zäumen wir grade ein Pferd von hinten auf ohne es zu merken? :slight_smile: