Timm postete in Telegram folgenden Link:
http://www.mouser.com/blog/make-your-own-job-with-open-source-hardware-what-students-dont-know
Ich schrieb dazu:
Der Ansatz und die Denkrichtung an sich ist gut und sollte von uns grundsätzlich auch mal stärker thematisiert werden.
Der Artikel selbst greift aber m.E. zu kurz und geht deutlich an der Alltagsrealität vorbei . Im Grunde sagen die, das es insbesondere für Studies der Fachrichtung Elektroengineering cool ist, ein OSHW Ding zu entwickeln, weil man damit dann schon Erfahrungen vorweisen kann und somit Aussicht auf einen besser bezahlten Job hätte. Ausserdem kann man es sich durch Nutzung von Plattformen wie Arduino oder STM-Nucleo/Mbed (welches wir übrigens als Entwicklungstool für die Libresolar-Firmware verwenden) ersparen, das Rad jedesmal komplett neu zu erfinden.
Alles gut und richtig, sofern man Elektronik studiert, einen Angestellten Job sucht (interessanter wäre aber, sich mit OSHW selbstständig zu machen) und es lediglich um die technische Entwicklung des Projekts geht.
Wichtiger aber noch, damit am Ende wirklich Kohle reinkommt, ist der Vermarktungs- und kaufmännische Aspekt, es wäre schön, wenn man hier mal ein paar hilfreiche Ansätze entwickeln könnte, die über das übliche „mach doch ne Crowdfunding-Kampagne“ hinausgehen.
Also etwa kaufmänische Fragen, die sich damit auseinandersetzen,
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wie und in welcher Rechtsform es welche Steuern und Abgaben u. laufende Kosten für jede Art von Gewerbebetrieb regelmäßig fällig werden
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welcher Aufwand betrieben werden muss, um zB. einen Webshop einzurichten: Abmahn-sicher, mit Paypal-Modul. Bestellungsbearbeitung, Lager und Versand-Logistik, Rechnungserstellung und Fibu
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wie wird sowas personell i.d. Realität umgesetzt ? Spätestens, wenn es sich um ein komplexeres Produkt handelt (oder eine Produktfamilie samt Zubehör) was aus mehr als nur einen kleinen Platine besteht, kommt man irgendwann an den Punkt wo es Leute geben muss, die sich um den ganzen Verkaufskram kümmern, das kann ein Entwickler allein kaum zeitlich zusätzlich leisten (<== vielleicht ist es daher besser zu mehreren eine Firma zu betreiben. Wenn man geübt ist in Kollaboration über geographische Distanzen hinweg käme vielleicht sogar eine Art „virtueller“ Firma in Betracht, die sozusagen „distributed“ agieren kann).
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Auch wäre es schön, software-seitig möglichst Opensource-softwaren verwenden zu können. Ich teste zB. gerade „Modified eCommerce“ als Webshobsoftware, aber es stellt sich dann die Frage, mit welcher Warenwirtschaft, die natürlich auch OpenSource sein sollte, kann die zusammenarbeiten ? Und, zugegeben noch etwas spezieller) wenn man etwa auch ein Ladenlokal (bei mir: Hofladen) betreiben möchte und dazu eine POS-Software (Kassensoftware, Barcode-Scanner) benötigt, welche ist OpenSource und kompatibel zu den anderen beiden ?
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was gibt es an guten Produktideen ? Und nicht zuletzt solche, die auch die Entwicklung und Fertigung mit berücksichtigen ? Also, zB. Platinen sind ja recht gut mit nidrig-budget-Equipment herzustellen, aber davon hat man meist noch kein komplettes Produkt, man muss dafür sehr spezifisches Fachwissen haben und es gibt noch etliche staatliche Vorschriften und Hindernisse (EMV- und CE-konform, Müll-Rückabwicklung, Garantie, sonstige Verordnungen) Alles sehr spezeifisch. Ich frage mich daher immer, was man mit dem Potential von 3D-Druckern machen könnte, einerseits kann hierbei Aufwand und Preis (für ABS/PLA, Stunden Druckzeit und Energieverbrauch) recht gut kalkuliert werden, aber der eigentliche Ertrag/Gewinn, bzw. die Nachfrage häng hierbei sicherlich auch von der „Pfiffigkeit“ des Produktes ab, also mit was alltäglichem wie nem Eierbecher hat man vermutlich kaum ne Chance, aber wenns etwas mit einem hohen Nutzwert wäre und etwas das sich aus irgendwelchgen Gründen gut gegen industrielle Massenproduktion behaupten könnte, dann hätte man da vielleicht ne Chance … als gutes Beispiel fallen mir hier 3D-Drucker (jetzt als Produkte gemeint) ein und es gibt da interessante Beispiele von Opensource-orientierten Firmen wie Prusa, Lulzbot, Ultimaker und E3D. Aber diese Sparte ist natürlich schon etwas überlaufen was könnte man sonst noch mit 3D-drcukern herstellen was hochpreisig und gut nachgefragt ist.
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Gründliche Kalkulation. Vielleicht könnte man da mal ein paar praxisnahe oder beispielhafte Modelle erstellen, also etwa in der Art: Was kann ich mit welchem (Entwicklungs- Herstellungs- und Vertriebs-)Aufwand herstellen, das (sicher) so gut läuft, dass ich davon soundsoviel an Verdienst habe bzw. Löhnen für Entwicklung Herstellung und Vertrieb ansetzen kann.
Timm schrieb dazu:
Also so etwas wie ein Produkt-Inkubator, der die Forschung verlässt und sich eben um den Bedarf der Szene und die Umsetzung der Entwicklungen die wir brauchen kümmert. → klingt gut. Da muss noch etwas Brainstorming her. vllt ist soetwas tatsächlich im Forum sinnvoller. Oder zumindest in einer separaten Gruppe.
Worauf ich antwortete:
nee, bin schon fertig Ich wollte das jetzt nicht alles im Detail vertiefen, sondern nur darauf hinweisen, das dies sicherlich ein sehr hilfreiches/nützliches und dankbares Feld zum beackern wäre .
Und illustrieren, was ich mit alltagsnahen, praktischen Fragestellungen meine. Diese ganzen Gründungs- und Startup-Geschichten kenne ich schon, hab selbst schon mehrere Firmen, darunter zwei GmbHs mit begründet. Und bin schon auf Gründermessen gewesen, wo man mit Proudktideen und/oder Prototypen hofft venture capital zu ergattern. Die ganzen Infos und Tips und Antworten von dieser Seite her kenne ich schon und sehe davon einen Teil als Blabla und einen anderen Teil als nützlich, aber sozusagen ohnehin Standard an (sowas wie „Businessplan“ … das ist ne Binsenweisheit, natürlich braucht man den, aber woher sollst Du als Einsteiger „viable“, das heisst verlässliches und solides Zahlenmaterial herbekommen ?
Aber noch viel wichtiger sind die Fragen, mit der man sich dann in der Alltagsrealität auseinandersetzen muss … es ist leicht in einer Gründungsberatung gesagt „Mach einen Webshop auf“ oder „Mach eine Crowdfunding-Kampagne“. Jaha, denn mach das mal … einfach mal so. Man stellt fest das das jeweils ne ganze Wissenschaft für sich ist (wenn mans vernünftig/richtig/optimal machen will) und es stecken etliche Mannmonate Arbeit dadrin. Oder man kann natürlich auch zu eBay oder sonstigen Fertigshop-Anbietern gehen, die einem dann mit ihren Gebühren das Fell über die Ohren ziehen .
Ich bin daher eher an was interessiert, das enger auf die spezifische Situation eines OSHW Entwicklers abzielt, wie er im OSE(G) Umfeld ev. vorkommt … oder noch vorkommen könnte Scheint ja mittlerweile immer mehr unter uns zu geben, die sich Gedanken darüber machen wie man von OSWH-Entwicklung auch leben könnte und ich finde das auch hochgradig sinnvoll. Nicht nur, weil ich mich das auch frage, sondern auch weil es bedeutet, dass ein bezahlter OSHW-Entwickler nicht nur seine spärliche Freizeit sondern den ganzen Tag in die Projekt-Entwicklung stecken kann . ( ein Idealzustand )
Flo schrieb:
Ein Kumpel von mir hat jetzt mit 2 weiteren Freunden ein exist-Gründerstipendium erhalten. Die 3 haben vor ein OS Bienen Monitoring auf Basis von Open Source Bee Hives zu entwickeln. Ich wurde leider abgelehnt da mit zumachen weil ich ein Gewerbe habe.
Generell finde ich diesen Weg aber gut. Betriebe mit klassischen Geschäftsmodellen werden von allein ihren Weg nicht verlassen.
Ich überlege zur Zeit ob es nicht sogar sinnvoll wäre aus OSE heraus ein Startup zu gründen auf Basis eines solchen Stipendiums.
Ich antwortete dazu:
Klingt grundsätzlich gut, aber alle Arten von Stipendien, Förderungen, Foundations, Gründerwettbewerbe usw. haben den Nachteil sehr aufwändiger Anforderungen, sowohl inhaltlich als auch in bürokratischer Hinsicht, ohne das man eine Gewähr hat, ob man am Ende auch den Zuschlag bekommt, Du musst also in Vorleistung treten für eine unsichere Sache. Selbst wenns klappt ist es eh nur befristet, daher versuche ich eher in die Richtung zu denken, wie man einfach und ohne Umschweife direkt etwas entwickelt, herstellt und verkauft … eigentlich sollte das doch möglich sein, wenn die Business- oder Produkt-Idee an sich ok ist . IOW, es geht um eine Grundlage für OSHW-Business, das aus sich selbst heraus tragfähig ist . Auch im Sinne einer zuküfntigen OpenEconomy.
Flo schrieb:
Das Grundprinzip ist seit Jahrtausenden das gleiche. Man lebt nicht von Geld sondern von den Produkten, die man davon kaufen kann! Das Problem ist wie viel Wert hat ein Produkt und wie entsteht letztlich dessen Preis. Alle materiellen Güter haben eine Lebensdauer. Und die Herstellung bedarf immer wieder erneut Aufwand. volkswirtschaftlich bedeutet die, dass die Grenzkosten (1. Ableitung der Variablen Kosten) größer null sind. Wissen bzw. Produkte und Dienstleistungen die auf Wissen als Kern beruhen haben keine variablen Kosten. Hat man einmal Wissen erzeugt dann ist es da und muss nicht immer wieder neu erzeugt werden. Die Kosten bestehen nur aus Fixkosten.
D.h. das jedes Wissen eines OS Projekts langfristig einen Preis von null haben wird. Nur für die Herstellung von Produkten, die daraus hergestellt werden kann man letztlich Geld verlangen.
Klassische Geschäftsmodelle versuchen aber immer wieder durch Geheimhaltung sich ihr internes Wissen mit ihren Produkten bezahlen zu lassen.
OS Geschäftsmodelle sollten also immer ein materielles Produkt haben um langfristig Geld zu erwirtschaften.
Gruss,
Oliver