Design Prinzipien

Ich möchte hier mal ein paar Prinzipien vor- und zur Diskussion stellen, mit der Frage: sind sie für uns sinnvoll und anwendbar ?
Beginnen möchte ich mit dem Postulat „Form Follows Funktion“ das auch in meinem Studium an erster Stelle stand
http://de.wikipedia.org/wiki/Form_follows_function
Über die Sinnhaftigkeit diese Postulats wurden schon etliche Bücher geschrieben und unzählige Diskussionen geführt - im Rahmen der OSE finde ich es aber als sehr nützlich.
Hermann

Eine Möglichkeit Waren oder Produkte zu hinterfragen ist z.B. die Liste
von Kriterien die der Schweizer Soziologe und Designkritiker Lucius Burckhardt schon 1977 für neues (gutes) Design zusammenstellte.
Er fragte:

  1. Besteht es aus Rohstoffen, die ohne Unterdrückung gewonnen werden?
  2. Ist es in sinnvollen, unzerstückelten Arbeitsgängen hergestellt?
  3. Ist es vielfach verwendbar?
  4. Ist es langlebig?
  5. In welchem Zustand wirft man es fort, und was wird dann daraus?
  6. Lässt es den Benutzer von zentralen Versorgungen oder Services anhängig werden, oder kann es dezentralisiert gebraucht werden?
  7. Privilegiert es den Benutzer, oder regt es zur Gemeinsamkeit an?
  8. Ist es frei wählbar, oder zwingt es zu weiteren Käufen?

Mit dieser Liste im Kopf kann man einen großen Teil der heutzutage angebotenen Waren knicken. Andererseits stellt sie auch ein gutes Instrument für die Entwicklung neuer Produkte dar. = Checkliste für OSE?
Hermann

Für gelingende Commons Stellte Elinor Ostrom
8 Prinzipien zusammen

  1. Grenzen: Es existieren klare und lokal akzeptierte Grenzen zwischen legitimen Nutzern und Nicht-Nutzungsberechtigten. Es existieren klare Grenzen zwischen einem spezifischen Gemeinressourcensystem und einem größeren sozio-ökologischen System.
  2. Kongruenz: Die Regeln für die Aneignung und Reproduktion einer Ressource entsprechen den örtlichen und den kulturellen Bedingungen. Aneignungs- und Bereitstellungsregeln sind aufeinander abgestimmt; die Verteilung der Kosten unter den Nutzern ist proportional zur Verteilung des Nutzens.
  3. Gemeinschaftliche Entscheidungen: Die meisten Personen, die von einem Ressourcensystem betroffen sind, können an Entscheidungen zur Bestimmung und Änderung der Nutzungsregeln teilnehmen (auch wenn viele diese Möglichkeit nicht wahrnehmen).
  4. Monitoring der Nutzer und der Ressource: Es muss ausreichend Kontrolle über Ressourcen geben, um Regelverstößen vorbeugen zu können. Personen, die mit der Überwachung der Ressource und deren Aneignung betraut sind, müssen selbst Nutzer oder den Nutzern rechenschaftspflichtig sein.
  5. Abgestufte Sanktionen: Verhängte Sanktionen sollen in einem vernünftigen Verhältnis zum verursachten Problem stehen. Die Bestrafung von Regelverletzungen beginnt auf niedrigem Niveau und verschärft sich, wenn Nutzer eine Regel mehrfach verletzen.
  6. Konfliktlösungsmechanismen: Konfliktlösungsmechanismen müssen schnell, günstig und direkt sein. Es gibt lokale Räume für die Lösung von Konflikten zwischen Nutzern sowie zwischen Nutzern und Behörden.
  7. Anerkennung: Es ist ein Mindestmaß staatlicher Anerkennung des Rechtes der Nutzer erforderlich, ihre eigenen Regeln zu bestimmen.
  8. Eingebettete Institutionen (für große Ressourcensysteme): Wenn eine Gemeinressource eng mit einem großen Ressourcensystem verbunden ist, sind Governancestrukturen auf mehreren Ebenen miteinander »verschachtelt« (Polyzentrische Governance) [zum Beispiel: selbstorganisierte Kommunalverwaltung regional vernetzte Institutionen Gruppen/Vereine überregionale, nicht-staatliche oder staatliche Strukturen — S.H.].
    Silke Helfrich nach: Elinor Ostrom 2009

Ich verstehe OSE als ein (mein) Commons-Projekt. Sind die Thesen von Elinor Ostrom für uns hilfreich?
Hermann

Bei der Commons-Sommer-Schule wurden die Prinzipien von Ostrom diskutiert und etwas abgewandelt bzw. greifbarer umgeschrieben:
Acht Orientierungspunkte für das Commoning
Elinor Ostrom und andere haben Designprinzipien für die gemeinschaftliche Nutzung von Ressourcen formuliert. Sie sind die Essenz unzähliger Feldstudien. Sie wurden aus einer wissenschaftlichen Perspektive verfasst und bleiben für die Commons-Bewegung von großer Bedeutung.
Unsere Perspektive ist die der aktiven Commoners, der Menschen, die Commons machen. Uns geht es weniger um Institutionen, sondern um Räume der Gemeinschaftlichkeit und Kooperation, die wir uns schaffen. An den Ressourcen interessiert uns weniger ihre Beschaffenheit, sondern wie wir sie erhalten und nutzen können. Wir beziehen uns folglich sowohl auf materielle wie nicht-materielle Ressourcen, auf traditionelle wie neue Commons.
Ostroms Designprinzipien sind für uns ein Muster für die Entwicklung der folgenden Orientierungspunkte. Wir hoffen, dass sie Anregungen für Commoners sind, die eigene Praxis zu reflektieren.
Commons existieren nicht in einer heilen Welt, sondern in einer commons-unfreundlichen Umgebung. Es ist daher wichtig, dass Commoners sich bewusst sind, welchen Schatz sie in den Händen halten, um ihn bewahren und entfalten zu können.
1.
Als Commoner ist mir klar, um welche Ressourcen ich mich kümmere und mit wem ich das tue. Commons-Ressourcen sind das, was wir gemeinsam herstellen, als Gaben der Natur erhalten oder was der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurde.
2.
Wir nutzen die Commons-Ressourcen, die wir schöpfen, pflegen und erhalten. Wir verwenden die Mittel (Zeit, Raum, Technik und Menge der Ressource), die jeweils verfügbar sind. Als Commoner habe ich das Gefühl, dass mein Beitrag und mein Nutzen in einem fairen Verhältnis stehen.
3.
Wir treffen und verändern unsere eigenen Vereinbarungen. Jeder Commoner kann sich daran beteiligen. Unsere Vereinbarungen dienen dazu, die Commons-Ressourcen zu schöpfen, zu pflegen und zu erhalten, die wir brauchen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen.
4.
Wir achten selbst darauf oder beauftragen jemanden, dem wir vertrauen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Wir überprüfen, ob die Vereinbarungen ihren Zweck erfüllen.
5.
Wir verabreden, wie wir mit Missachtung von Vereinbarungen umgehen. Wir entscheiden, ob und welche Sanktionen erforderlich sind, je nach dem, in welchem Kontext und Ausmaß die Vereinbarung missachtet wurde.
6.
Jeder Commoner kann einen Raum für die Lösung von Konflikten in Anspruch nehmen. Wir wollen Konflikte unter uns möglichst auf leicht zugängliche und direkte Art schlichten.
7.
Wir regeln unsere eigenen Angelegenheiten selbst, und externe Autoritäten respektieren das.
8.
Wir wissen, dass jedes Commons Teil eines größeren Ganzen ist. Deswegen sind verschiedene Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen nötig, die ihre Erhaltungsaktivitäten koordinieren und gut miteinander kooperieren.

Bis auf den Teil hinter dem Komma in Punkt 7. bin ich damit voll einverstanden. Ich meine wir regeln unsere eigenen Angelegenheiten auch dann selbst wenn dies von externen Autoritäten nicht respektiert wird - gegebenfalls werden wir uns (gewaltfrei) wehren.
Hermann

Die Prinzipien der "Blue Economy"

Lösungen basieren vor allem auf den Gesetzen der Physik. Die entscheidenden Faktoren sind Druck und Temperatur, so wie sie vor Ort vorliegen.

Ersetze „etwas“ durch „nichts“ - Hinterfrage bei jeder Ressource, ob sie wirklich notwendig für die Produktion ist.

Nährstoffe, Materie und Energie werden in natürlichen Systemen immer weiterverwendet - Abfälle gibt es nicht. Jedes Nebenprodukt ist Ausgangsstoff für ein neues Produkt.

Die Natur hat sich von wenigen Spezies hin zu einer reichen Artenvielfalt entwickelt. Reichtum heißt Vielfalt. Industrielle Normierung ist das Gegenteil.

Die Natur bietet Raum für Unternehmer, die mehr aus weniger herstellen. Die Natur steht im Gegensatz zur Monopolisierung.

Die Schwerkraft ist die Hauptenergiequelle, die zweite erneuerbare Ressource ist die Sonnenenergie.

Wasser ist das primäre Lösungsmittel (keine komplexen, chemischen, giftigen Katalysatoren).

Die Natur unterliegt ständiger Veränderung. Neuerungen gibt es immer.

Die Natur arbeitet nur mit dem, was es vor Ort gibt. Nachhaltige Wirtschaft respektiert nicht nur die lokalen Ressourcen, sondern auch Kultur und Tradition.

Die Natur richtet sich nach Grundbedürfnissen und entwickelt sich dann von Hinlänglichkeit zum Überfluss. Das gegenwärtige Wirtschaftsmodell basiert auf Knappheit als Grundlage für Produktion und Konsum.

Natürliche Systeme sind nicht geradlinig.

In der Natur ist alles abbaubar - es ist lediglich eine Frage der Zeit.

In der Natur steht alles miteinander in Verbindung und entwickelt sich symbiotisch.

In der Natur sind Wasser, Luft und Boden Gemeingut, frei und reichlich vorhanden.

In der Natur schafft ein Prozess vielerlei Nutzen.

Natürliche Systeme bergen Risiken. Jedes Risiko ist ein Motivator für Innovationen.

Die Natur ist effizient. Daher nutzt nachhaltige Wirtschaft maximal die vorhandene Materie und Energie, so dass der Preis für den Endverbraucher sinkt.

Die Natur sucht das Bestmögliche für alle Beteiligten.

In der Natur werden Nachteile zu Vorteilen. Probleme sind Chancen.

Die Natur strebt nach Diversifikationsvorteilen. Eine natürliche Innovation bringt mehrere Vorteile für alle.

Gehe auf Grundbedürfnisse ein mit dem, was du hast, entwickle Innovationen inspiriert durch die Natur, schaffe vielfältigen Nutzen ebenso wie Arbeitsplätze und soziales Kapital, biete mehr aus weniger: Dies ist die Blue Economy.

Auch in dieser Liste finden sich m.M. viele brauchbare Prinzipien
Hermann

Hallo Hermann,

zunächst mal danke, dass Du Dich im Rahmen eines ganzheitlichen Blickwinkels bemühst zu verdeutlichen, dass unserer „Bewegung“ ausser den rein technologischen / maschinenbauerischen Aspekten auch noch ein gewisser philosophischer bzw. theoretischer Überbau gut zu Gesicht steht. Darin stimme ich auch mit Dir überein.

Was die ganzen von Dir genannten Thesen betrifft, so muss ich gestehen, dass ich davon rund 10% wirklich und auf einem intellektuellem Level wirklich verstanden hab und nachvollziehen konnte. Was die übrigen 90% betrifft hatte ich zumindest soweit grob den Eindruck, dass sie in die richtige Richtung gehen und zumindestens „gut gemeint“ sind. Soll heissen: Wer auch immer das verfasst hatte ist offensichtlich ehrlich bemüht und will „das Gute“, soviel war für mich klar.

Ich hab allerdings gewisse Zweifel, ob man damit im Endeffekt auch wirklich den „Endverbraucher“ erreichen kann, auch wenns noch so gut gemeint ist. Oder anders gesagt (jetzt nur mal als Beispiel): Marx hatte sicher auch viele gute Ideen, aber dennoch hab ich Das Kapital nie gelesen und würd mich auch nicht trauen mit Sahra Wagenknecht oder Rudi Dutschke darüber zu diskutieren. grins Andererseits habe ich aber dennoch das Gefühl, das ich die nicht unbedingt brauche, um zu verstehen, was heutzutage in der Politik, der Wirtschaft , der Gesellschaft und überhaupt mit dem Kapitalismus schief läuft. :wink:

Um die Sache mal abzukürzen: Mir ist nicht ganz genau klar, wie ich die von Dir genannten Thesen einordnen soll. Meinst Du damit, wir sollen die jetzt zu Grund-Maximen unseres Wirkens erheben ? Das würde für mich bedeuten, das Ganze bis ins letzte wirklich zu verstehen, dann noch ein paar Generationen lang darüber zu diskutieren und schliesslich einen Konsens zu finden, den jeder mit gutem gewissen unterschreiben kann.

Ich möchte das als Beispiel an dem ersten Punkt kurz illustrieren:

  1. Besteht es aus Rohstoffen, die ohne Unterdrückung gewonnen werden?

Nehmen wir mal Aluminium. Ich bin mir ziemlich sicher, das wird nicht ohne Unterdrückung gewonnen. Was heisst das nun für uns ? Müssen wir nun auf Aluminium komplett verzichten ?

Auf der anderen Seite würde ich aber (im Rahmen der hypothetischen Diskussion) dagegen halten: Aluminium kann aus Lehm gewonnen werden, das einzige was man dafür braucht ist Lehm als Rohstoff sowie Energie. Achja, und natürlich auch eine entsprechende Maschine. Eine solche ist ist bereits im TOp50-GVCS (Aluminum Extractor - Open Source Ecology) vorgesehen. Aber was machen wir bis dahin ? Verwenden wir nun Aluminium oder nicht ? Vermutlich würden sich die Geister an dieser Frage scheiden und vermutlich hätten beide recht.

Du siehst vielleicht in etwa, worauf ich hinauswill ?

Aber ich sagte, ich wolle die Sache abkürzen.

Also, ums kurz zu machen, meine Meinung dazu ist folgende:

Für mich ist entscheidend, inwieweit die von Dir genannten Maximen bindend und buchstabengetreu auszuführen sind.

Wenn Du sagst, das sind bindende Kriterien, nach denen wir uns bei der Evaluierung einzelner Projekte konkret richten müssen, dann würde ich das als Dogmatismus ablehnen.

Wenn Du aber sagst, das sind gute Sachen, und wir sollten dies im Hinterkopf behalten und versuchen, uns in der Praxis daran zumindest wo möglich so gut wie möglich dran zu orientieren, dann würde ich dies mitunterschreiben (auch wenn ich nur einen Teil davon verstanden hab :wink:)


Soweit meine 5 cents,
Gruss, Oliver

@ Oliver: Es geht mir nicht um Dogmen! Und es geht auch nicht darum für alles mögliche Ausschlusskriterien zu finden, sondern unser Tun immer und immer wieder auf seine Sinnhaftigkeit zu überprüfen, zu schauen ob die Mittel dem Zweck entsprechen oder der Weg dem Ziel. Dabei werden wir oft auch Kompromisse machen müssen.
Dein Beispiel Aluminium: Ein wunderbarer Werkstoff !!! - aber in sehr vielen Anwendungsfällen einfach deplatziert und unsinnig. Weil in der Regel nur gefragt wird „was kostet es“? Und Alu nur so billig ist weil der viele Strom, mit dem es produziert wird, subventioniert wird. Inzwischen gibt es weltweit wohl soviel Alu, dass alles wo es wirklich, wirklich sinnvoll ist aus Recycling-Alu gemacht werden könnte. Wenn ich mir nur allein den Bausektor anschaue: Fassadenverkleidungen, Fensterrahmen etc. - allein schon deshalb blödsinnig weil Alu ein sehr guter Wärmeleiter ist.

Es geht einfach gesagt in vielen Fällen um Güterabwägung - und dabei darf eben nicht nur der „Preis“ der Wertmaßstab sein, sondern alle genannten Kriterien müssen, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung, mit einbezogen werden. Wie die Gewichtung bei den einzelnen Projekten dann anzuwenden ist - das ist die große Frage! - und kann dann jeweils nur unter den am Projekt beteiligten geklärt werden.

so long

Hermann

Hallo Oliver,

meine volle Zustimmung! Ich muß gestehen, mir geht es mit Hermanns sehr interessanten Thesen nicht viel anders als Dir. Denoch finde ich solche theoretischen Diskussionen hier gut und sinnvoll, auch um technisch wenig Interessierte an OSE heranzuführe. OSE ist eben nicht nur Maschinenbau und wir sind hier nicht die CNC-Ecke.

Solche grundlegenden Thesen haben ihre Berechtigung, auch wenn oft eine sehr genaue Präzisierung erforderlich ist, um sie anwendbar zu machen.

1. Besteht es aus Rohstoffen, die ohne Unterdrückung gewonnen werden?

Finde ich in der Art, wie es formuliert wird, problematisch.

Beispiel Zucker:
Es besteht kaum Zweifel, dass Zucker in einigen Ländern (Brasilien, Dominika…) unter massiver Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen produziert wird. Andererseits hab ich von Unterdrückung bei einem Zuckerrübenbauern in der Kölner Bucht noch nie etwas bemerkt :mrgreen:

Soll ich also deshalb jetzt keinen Zucker mehr verwenden? Könnte ja sein, dass gerade mein Zucker aus Brasilien kommt…

So allgemein ist das also für mich nicht haltbar. Ich kann auch eigentlich nichts für die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen, die manchenorts diese Ausbeutung möglich machen.
Und weiterhin, womit hat der deutsche Rübenbauer es eigentlich verdient, dass ich sein Produkt boykottiere und damit seine Existenz gefährde???

Meine persönliche Entscheidung steht fest: Ich werd jetzt gleich einen Kaffee mit einem Stück Zucker trinken :laughing:

Mike