Commons und OSE

Hermann:

Ich verstehe bis heute nicht was was mit „Open Source Ökonomie“ gemeint ist. Und die Beschreibung bringt mich auch nicht weiter. Ist es eine marktbasierte Ökonomie oder eine commonsbasierte? Wollen wir für den Markt produzieren oder für den Bedarf? Auch mit „reproduzierbaren Geschäftsmodellen“ hab ich so meine Probleme. Mein Weg zu OSE ging über die Commons-Debatte und Open Source Software mit der Frage gibt´s auch Open Source Hardware? Ob OSE die Antwort darauf ist ? - ich habe da manchmal so meine Zweifel: „Open Source Hardware“ für den Markt scheint mir ziemlich widersprüchlich. Auch in einer öko-sozialen Marktwirtschaft ist der Markt die bestimmende Größe. Wohin ich will: „commonsbasierte peer production“ Klar braucht dies - zur Zeit noch - den Ressorcen-Input aus der Marktwirtschaft, aber der Output sollte nicht wieder auf dem Markt landen. Ziel sollte sein den Input auch immer mehr und mehr ohne Markt zu realisieren.

Nikolay:
Die Idee der OS Ökonomie ist unabhängig von Commons, Markt, Geld, Tauschmittel usw. Die einzige Anforderung der OS Ökonomie ist es weltweite Kommunikationsplattform - zur Zeit das Internet. Es wird entwickelt mit allen diesen Mittel, so wie jeder das will. Die OS Ökonomie ist keine Lösung, so wie die Gemeinwohl-Ökonomie, sondern einen nächsten Schritt und wird sich ständig weiterentwickeln. Die OS Ökonomie wird ganz simpel im Video-Aufruf erklärt - kollaborative weltweiten freien Austausch von Infos - das ist es. Jeder kann darauf das aufbauen, was man will - Commons, Geld-freie Gesellschaften, Profitorientiere Unternehmen (ja, ist möglich, natürlich wird immer schwieriger und bald unmöglich, und natürlich kein Ziel von uns). Eigentlich dieser freien Austausch ist schon Commons :slight_smile: Aber auch nicht nur. Die Grundidee - schaffe Offenheit, Transparenz, Reproduzierbarkeit und gebe die Freiheit der Menschenn zu entscheiden was daraus wird. Wenn alles transparent ist und möglichst viel lokalisiert wird kann es sich leicht mit konkrete Daten und Befriedigung der menschlichen Bedürfnissen zeigen welche Logik besser ist - der Markt, den Commons, der Gemeinwohl, des Was Neues? :slight_smile:

Reproduzierbare Unternehmen (nicht nur Geschäftsmodellen) schaffen Commons im Betriebswesen für alle Menschen. Reproduzierbare Unternehmen sind nicht nur Unternehmen, sondern Organisationsstrukturen generell - müssen nicht unbedingt auch legal sein. Das sind einfach die Strukturen, die es ermöglichen Open Source Technologien und weiteres zu entwickeln. Das offene Netzwerk, die wir jetzt aufbauen ist so eine reproduzierbare „Struktur“/„Bewegung“.

Ob der Output auf dem Markt landet oder nicht, ist abhängig von den Menschen, die den Output schaffen. Das können und wollen wir nicht kontrollieren.

Aber es ist ein klares Ziel von OSE(G), dass Open Source Technologieentwicklung im Mainstream einzuführen! Wir können nicht den ersten Schritt für eine Gemeinwohl-Gesellschaft machen, wenn nur paar Menschen mitmachen.

Christian Siefkes puts it very well: http://www.shareable.net/blog/the-boom-of-commons-based-peer-production

Things that are quickly thrown away won’t satisfy more needs than things that you keep longer. Commons-based peer production brings such a needs-driven conception of plenty for everyone into reach. > It’s not things that matter, but needs> : the important point is not whether I have a car, but whether I’m able to > freely move > to other places > and interact > with other people.

Physical production is impossible without natural resources. Therefore, peer production won’t be able to realize its full potential unless access to resources is managed according to its principles. Digital peer production treats knowledge and software as a commons. Likewise, physical peer production needs to > manage resources and means of production as commons, utilizing them in a fair and sustainable way and preserving or improving their current state> . For this it is important to find modes that ensure that nobody loses out and that everyone’s needs (whether productive or consumptive) are taken seriously.

The challenge is huge, but the unexpected success stories of peer production — such as GNU/Linux and the Wikipedia — show that peer production can achieve a lot. And the long history of the commons contains many examples of the successful long-term usage of natural resources and of the successful management of user-built infrastructures. For the future of commons-based peer production it will be very important to bring together the perspectives and experiences of commoners from all areas — whether “digital,” “ecological,” or “traditional.” They can learn a lot from each other.

Das ist einen Schritt weiter als nur Open Source Baupläne und entspricht die Reproduktion und die 4 Freiheiten - natürlich ein Ziel der Open Source Ökonomie - alle Bedürfnisse sollen transparent sein und möglichst nachhaltig mit Kooperation befriedigt werden.

Also ich denke schon, dass eine Open Source Ökonomie mehr auf den Bedarf ausgerichtet ist als auf den globalen Markt. Und da ich nicht an die Funktion einer commnsbasierten Ökonomie glaube, sondern mir dazu immer die „Tragedy of the Commons einfällt“, komme ich zu folgenden Schlussfolgerungen.

Selbst wenn es irgendwann weltweit eine weitestgehend auf Open Source Hardware basierende Wirtschaftsweise geben wird, so wird immer ein ziemlich grosser Warenaustausch, zumindestens regional, nötig sein!
Ich versuch mal an ein paar Beispielen zu erklären.

  1. Du besitzt eine voll ausgerüstete Open Source Produktionsstätte mit allen GVCS-Maschinen u. noch manchen proprietären Maschinen, mit entsprechend grosser Produktionsfläche und hohen Investitionskosten.
    Nur, wenn Du jetzt 30cm Flachstahl brauchst, willst Du wirklich anfangen, Stahl zu schmelzen und den zu Flachstahl zu walzen??? Deine Arbeitsproduktivität wäre katastrophal niedrig, da erwirtshaftest Du mit Deiner Arbeitszeit 2ct pro Stunde.

  2. Stell Dir ein OSE-Dorf vor, dass hauptsächlich Nahrungsmittel und elektronische Geräte herstellt. Das Dorf benötigt vielleicht im Jahr 1000kg Stahl. Sollen die wirklich einen Induktionsofen u. ein Walzwerk bauen, wofür 25t Stahl nötig sind. Das wäre doch Verschwendung von Ressourcen, oder?

  3. _Bei der Fertigung von Maschinenteilen gibt es 2 Arten von Zeitbedarf: Die Rüstzeit tr für die Vorbereitung der Fertigungsserie für das Teil, und die Stückzeit te, die pro produziertem identischem Teil anfällt.
    Das Verhältnis tr zu te schwankt stark. Bei sehr grossen schweren Teilen ist te viel grösser als tr, ebenso bei vielen manuellen Arbeiten. Bei vielen kleineren Teilen ist tr etwa gleich te. Dann gibts noch Fertigungsvorgänge etzwa an Pressen, da ist tr ein Vielfaches von te.
    Wenn te ~ tr, dann heisst das, für die Produktion eines Teils brauchst Du tr+te = 100min + 100 min = 200 min.
    Machst Du 2 identische Teile hintereinander, benötigst Du 300 min für 2 Teile.
    10 Teile kannst Du in 1100min produzieren.

Also die Produktivität ist niedrig bei Einzelfertigung.

Es funktioniert also nicht ohne Warenaustausch und Markt.

Mike

@ Nikolay:
Wir können nicht den ersten Schritt für eine Gemeinwohl-Gesellschaft machen, wenn nur paar Menschen mitmachen.

Wer dann? Irgend jemand muss immer den ersten Schritt machen! Wobei ich nicht die „Gemeinwohl-Ökonomie“ á la Christian Felber anstrebe! Andreas Exner hat dazu einen sehr guten Artikel in den Steifzügen verfasst: http://www.streifzuege.org/2011/attac-christian-felber-gemeinwohloekonomie-zur-monologie-eines-promotionapparats

@ Mike: Die sogenannte „Tragödie der Allmende“ nach Hardin ist längst vielfältig widerlegt worden. Was er beschrieb war keine Allmende oder Commons - die immer klare Regeln haben wenn sie funktionieren - sondern eine konstruierte Situation auf einem Niemandsland ohne Regeln. Berühmt wurde die „Tragödie der Allmende“ nur weil sie vielfach unreflektiert nachgebetet wurde - sie passte ja so gut in das kapitalistische System in dem möglichst alles privatisiert werden soll.
Dass Allmenden oder Commons funktionieren und unter welchen Bedingungen hat Elenor Ostorm nachgewiesen und dafür 2009 den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Elinor_Ostrom

Zu Deinen Ausführungen Serienproduktion vs. Einzelfertigung ist für mich alles nachvollziehbar und eigentlich kalter Kaffee. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass nur ein Warentausch oder Markt funktioniert ist für mich zu schnell und zu weit gesprungen. Ich würde Dir empfehlen Dich erst mal in die Commons-Thematik einzulesen z.B. hiermit: Silke Helfrich u. Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg) „Commons - Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“ das als PDF von der der Site der Böll-Stiftung heruntergeladen werden kann http://www.boell.de/publikationen/publikationen-commons-fuer-eine-neue-politik-jenseits-von-markt-und-staat-14395.htm und/oder Dich mal auf http://www.Keimform.de und dem http://commonsblog.wordpress.com/category/commons/ umzusehen.
Im Übrigen teile ich Deine Kritik am unprofessionellen Vorgehen von OSE voll und ganz.
Grüße
Hermann

Hi Hermann, mit dem Thema Commons (wie im Buch beschrieben) habe ich mich in der Tiefe noch nicht beschäftigt. Wichtig für mich ist der nächste Schritt - Open Hardware. Für OSEG sind bei mir ganz andere Fragen/Prioritäten - zur Zeit. Wenn die Zeit reif ist - würde ich gerne mehr über Commons erfahren.

Die GWÖ und die OS Ökonomie sind einfach einen nächsten Schritt und nicht die Ende der Geschichte. Sie sind einfach offen darauf aufzubauen - so wie mit Open Source. Ich persönlich würde dies nicht weiter diskutieren, wir haben kritischen Aufgaben vor OSEG.